Kreatives Arbeiten heißt mutiges Arbeiten.
Was wir von Kindern fürs kreative Arbeiten lernen können.
Letztens lag „Der kleine Prinz“ auf unserem Esstisch. Unsere Tochter nimmt den Text nämlich gerade in Französisch durch. Beim Durchblättern stießen wir direkt auf diese Zeichnung, die wir ganz vergessen hatten: eine Schlange, die gerade einen Elefanten verdaut – ein frühes Werk des in der Sahara notgelandeten Piloten und Ich-Erzählers.
Der Pilot berichtet in diesem Kapitel von seiner Kindheit, als er im Alter von sechs Jahren mit dem Zeichnen begann. Die Reaktionen der Erwachsenen auf seine Zeichenkunst waren für ihn jedoch so ernüchternd, dass er bereits nach zwei Versuchen ganz entmutigt mit dem Zeichnen aufhörte. Denn alle Erwachsenen hielten seine Zeichnungen stets für einen Hut, er hingegen für kreativ. So wurde er schließlich Pilot anstatt Maler. Ein Phänomen, dass wir leider viel zu häufig in unseren Trainings beobachten. Aussagen wie „Ich kann nicht malen“ oder „Ich bin nicht so der kreative Typ“ sind häufig die Folge solcher Entmutigungen. Ein frustrierendes Feedback, das schließlich bei vielen Menschen dazu geführt hat, dass sie „Pilot“ wurden, sprich, sich für einen Job entschieden haben, für den man logisch-rationale Fähigkeiten braucht, eben konvergentes und kein divergentes Denken.
In der Schule läuft Querdenken schief.
Forciert werden solche Entwicklungen schließlich auch von unserem Schulsystem. Hier wurden und werden wir bis heute hauptsächlich darauf getrimmt, uns nahezu ausschließlich mit rationalen Dingen und Fertigkeiten wie Rechnen, logischem Denken und wissenschaftlichem Arbeiten auseinanderzusetzen. Kreatives Arbeiten, querdenken und seiner Fantasie mal freien Lauf zu lassen, findet meistens nur im Kunstunterricht statt, und der fällt häufig aufgrund des Lehrer- und/oder Geldmangels auch noch flach.
Viele Menschen sind deshalb heute sehr verunsichert, wenn es ans kreative Arbeiten geht. Das ist umso bedauerlicher, als dass wir doch extrem kreativ geboren werden. Als Kind bauen wir eine Sandburg aus dem Stand. Wir entwickeln aus einem Schuhkarton ein Bungalow für unsere Playmobilfiguren, und zwar ohne vorher einen Architekten zu beauftragen. Und vor allem: Als Kind interessiert es uns überhaupt nicht, ob jemandem die Burg oder das Haus gefällt. Wir bauen einfach drauflos, sind stolz auf das Ergebnis und haben einfach Spaß daran, etwas Neues zu entwickeln. Und sollte ein Erwachsener unser Werk nicht erkennen, sind wir nicht frustriert, sondern haben nur ein müdes Lächeln übrig: „Mensch, du siehst aber heute schlecht“.
Regeln für einen angstfreien Raum.
Ironie des Schicksals: Kreatives Arbeiten ist in unseren heutigen digitalen Zeiten bekanntlich notwendiger denn je. Umso wichtiger ist es deshalb, seine einstigen kreativen Fähigkeiten wieder zu beleben. Dabei geht es vor allem um unsere als Kind so selbstverständliche, selbstbewusste und mutige Haltung, mit der es uns gelingt, mit einer kreativen Aufgabe einfach mal anzufangen und den Prozess zu genießen. Und zwar ungeachtet dessen, ob direkt etwas Gescheites dabei herauskommt oder nicht.
Hier helfen die Kreativregeln aus dem Design Thinking. Unter ihnen sind es vor allem diese fünf, die einen wertschätzenden und vor allem angstfreien Raum für kreatives Arbeiten schaffen:
- Quantität zählt
- Ermutige wilde Ideen
- Stelle Kritik zurück
- Scheitere früh und oft
- Hab Spaß
Denn nur wer mutig ist, findet gute Ideen, und nur wer viele Ideen entwickelt, hat auch eine Chance, überhaupt einen Kracher zu landen. Und nur wer begreift, dass Scheitern notwendig und kein Drama ist, der lernt, am Ball zu bleiben und sich nicht frustrieren zu lassen. Und er erkennt, dass unsere Fantasie durch kreatives Arbeiten mal wieder richtig in die Gänge kommt und kreatives Arbeiten sogar Spaß machen kann.
Die Fantasie unterscheidet uns nicht nur von den Tieren, sondern ist mitunter das Wertvollste, was wir haben. Auch das lernen wir beim kleinen Prinzen. Denn der bittet den Piloten, ein Schaf zu zeichnen. Der Pilot fertigt ihm gleich drei Zeichnungen eines Schafes an, doch an jeder Zeichnung hat der kleine Prinz etwas auszusetzen. Mal ist es krank, mal ein Widder, mal zu alt. Etwas verärgert zeichnet der Pilot daher eine Kiste, in der sich das Schaf befinden soll. Diese Zeichnung macht den kleinen Prinzen – ganz unerwartet – sehr zufrieden.
Also: Seht die Welt mit anderen und vor allem eigenen Augen, seid mutig für neue Lösungen, hört nicht auf frustrierendes Feedback und habt Spaß an wilden Ideen. Die Welt braucht sie.