Hello Stranger!
Diversity & Art: Kunst als Schlüssel zu einer besseren Integration von Vielfalt.
„Being safe is scary“. Sicher zu sein, ist beängstigend. Auf diesen Satz stießen wir vor ein paar Wochen auf der documenta. Dieser Schriftzug ersetzt derzeit die Lettern „Museum Fridericianum“ am Hauptgebäude der documenta. Eine Arbeit der türkischen Künstlerin Banu Cennetoğlu, die mit diesem Statement auf die vielen politischen und gesellschaftlichen Kompromisse aufmerksam machen möchte, die wir in unseren unruhigen Zeiten mittlerweile für unsere Sicherheit in Kauf nehmen. Sicherheit wird hier zum Sedativum, das unseren Blick auf die Realität benebelt.
Kunst als Diversity Turbo.
Ebenso benebelt und reduziert empfinden wir leider viel zu oft das Thema Diversity. Viel zu oft wird Vielfalt lediglich auf die sechs großen Themen reduziert, die auch im Allgemeinen Geleichbehandlungsgesetz (AGG) aufgeführt werden: Geschlecht, Religion (Weltanschauung), Alter, Behinderung, sexuelle Orientierung und Kultur. Sei es aufgrund von Berührungsängsten mit weiteren großen Unbekannten. Oder weil es einfach an Kompetenzen mangelt, Vielfalt zu integrieren und unternehmerisch zu nutzen. Einen interessanten Gedanken hierzu fanden wir in einem Artikel auf harvardbusinessmanager.de: Steht beim Diversity Management lediglich die Anti-Diskriminierung im Vordergrund und nicht die Nutzung von Unterschieden „wird das kreative und wirtschaftliche Potenzial von Vielfalt ignoriert.“ Wer sich dieses unternehmerische Potenzial also nicht entgehen lassen will, stellt sich unweigerlich die Frage: Wie verschafft man sich einen einfacheren Zugang zu den feinen Unterschieden jenseits von Geschlecht, Herkunft, sexuelle Orientierung oder Alter? Ein Schlüssel zur besseren Integration von Vielfalt liegt unseres Erachtens in der Kunst. Hierzu ein paar Gedanken.
Diversity braucht Mut zu offenen Prozessen.
Offenheit, Komplexität und Unsicherheit zeichnen immer mehr die moderne Arbeitswelt aus. Das gilt auch für den Bereich Diversity. Unterschiede zu erkennen und sich auf sie einzulassen bedeutet im wahrsten Sinne des Wortes eine Auseinandersetzung mit dem Unbekannten. Ein sehr spannender Prozess. Aber auch ein Prozess, der verunsichern kann – zum Beispiel Menschen, die wenig vertraut mit fremden Kulturen sind oder eine Fremdsprache nie richtig lernen konnten, durften oder mussten. Oder einfach, weil sie introvertierte Persönlichkeiten sind.
Professionalität bedeutet vor diesem Hintergrund, im Unsicheren sicher handeln zu können. Für Künstlerinnen und Künstler ist der kreative und gestalterische Umgang mit Offenheit und Ungewissheit geradezu konstitutiv. Sie haben eine Handlungsweise entwickelt, die es ermöglicht, sich auf offene Prozesse einzulassen und jenseits von Planung, Umsetzung und Kontrolle zu innovativen und professionellen Ergebnissen zu kommen. Der Moment, in dem der Künstler vor der leeren Leinwand steht, macht dies deutlich. Diese Situation beinhaltet die „Einladung“ eines noch zukünftigen Werkes. Der weitere Verlauf des Schaffensprozesses ist dann gekennzeichnet von der Entwicklung des Möglichen und der Gestaltung des Neuen, aber auch des Verwerfens und immer wieder Ausprobierens. Der Künstler tritt in einen Dialog mit dem zukünftigen Werk – im Wechselspiel zwischen eigenem Willen, dem eigenen Denken und Fühlen und der Beschaffenheit des Materials. Zugleich bleibt er jedoch immer offen für das Eigenleben des entstehenden Werkes.
Ein Mindset, das besonders hilfreich ist, wenn es darum geht, sich auf unbekannte, persönliche Qualitäten eines fremden Menschen einzulassen, ganz ohne Vorurteile, Ängste oder Erwartungen. Die Kunst hilft hier, Erwartungshaltungen mit Farbe zu zerstören. In einem Diversity-Projekt mit einem Kunden durften wir beobachten, wie leicht und unbekümmert sich die Teilnehmer mit ihren persönlichen Eigenschaften vor der leeren Leinwand auseinandersetzen. Die Aufgabe: Sich in einer Pose zu porträtieren, die eine bis dato unbekannte Eigenschaft illustriert. Mit der Prozess-Neugier eines Künstlers ließen sich die Teilnehmer auf ihr Werk und ihre Eigenschaften ein. Sie gaben Dinge über sich Preis, die erstaunten, neugierig machten und inspirierten – den anderen in einem neuen Licht zu sehen, was schließlich auch zu einer neuen Form der Zusammenarbeit beflügelte. Alle Teilnehmer taten dies vor allem mit Leichtigkeit und ohne das Gefühl zu haben, etwas „abliefern“ oder kontrollieren zu müssen.
Diversity braucht künstlerische Gelassenheit.
Wer sich im Vorfeld immer erst mit kulturellen Do’s und Don’ts beschäftigt läuft Gefahr, nur die Herkunft des Menschen, nicht aber den Menschen selbst zu sehen. Hier dominiert dann schnell die Unsicherheit, im Umgang miteinander etwas falsch zu machen. Ähnlich wie ein Fahrschüler, der ständig überlegt, wo der nächste Gang ist, anstatt die Fahrt selbst zu genießen.
Die Fähigkeit einer unbekümmerten Improvisation ist hier eine große Hilfe. Deshalb sollte sich das künstlerische Schaffen an einem „low skill, high sensitivity“-Prinzip orientieren (vgl. Eberhart und Knill, 2009). Auf technisch anspruchsvolle Finessen wird hier bewusst verzichtet. Hier geht es mehr um einen intuitiven Umgang mit Farbe, Form, Material, Zeit und Raum. Der Grund: Eine kognitive Herangehensweise soll einer intuitiven weichen. Denn eine unbewusste Vorgehensweise unterstützt den Mut zur Improvisation und fördert einen gelassenen und offenen Schaffensprozess. Eine Kollegin würde jetzt sagen: „Seht es mal wie Clint Eastwood – wir reiten in die Stadt, der Rest ergibt sich.“
Diversity braucht einen inspirierenden Raum.
Nicht zuletzt ist auch der Ort entscheidend für das kreative Denken und Handeln. Unsere Veranstaltungen und Trainings finden nicht umsonst in einem Atelier statt – ein inspirierender Raum, in dem man sich gelassen ausprobieren und frei fühlen kann. Die ungehinderte Anwendung künstlerischer Medien und Materialien in einem Atelier kann auf diese Weise Prozesse der Selbstorganisation beleben und zu kreativem Denken und Handeln anregen.
Gelassenheit, Mut, offene Prozesse, Improvisation und Inspiration – was braucht es Ihrer Meinung nach noch, um Vielfalt erfolgreich zu integrieren? Wir freuen uns auf einen Dialog.
Sie möchten mehr über Kunst und Diversity und/oder in Veränderungsprozessen erfahren oder haben ein Diversity-Projekt, das Sie gern einmal künstlerisch angehen möchten? Wir sind für Sie da.
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